Anwaltlicher Interessenkonflikt bei Erbengemeinschaften

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Dienstag, 25.04.2023 , geschrieben von EliteXPERTS-Redaktion

Erbengemeinschaften entstehen, weil der Erblasser mit dem Erbfall mehrere Erben hinterlässt. Da Erbengemeinschaften Zwangsgemeinschaften und nicht auf Dauer angelegt sind, ist der Nachlass auseinanderzusetzen. Soweit mit dem Erbfall und mit der Auseinandersetzung rechtliche Schwierigkeiten verbunden sind, werden gerne Anwälte einbezogen. Vertritt ein Anwalt eine Erbengemeinschaft, muss er die größtmögliche Sorgfalt darauf verwenden, dass er sich nicht in einem Interessenkonflikt wiederfindet und sich dem Verdacht des Parteiverrats aussetzt. Das Risiko der Interessenkollision gerade bei der Vertretung von Erbengemeinschaften ist hoch.

Wodurch entsteht das Risiko eines Interessenkonflikts?

Anwälte sind Interessenvertreter. Sie haben die Interessen ihrer Mandanten so wahrzunehmen, dass das bestmögliche Ergebnis erreicht werden kann. Beauftragt eine Erbengemeinschaft einen Rechtsanwalt mit der Abwicklung des Erbfalls, muss der Anwalt grundsätzlich davon ausgehen, dass es innerhalb der Erbengemeinschaft entgegengesetzte Interessen geben kann. Wegen dieses potenziell denkbaren Interessenkonflikts kann es für den Anwalt schwierig sein, die Interessen der Erbengemeinschaft insgesamt in jeder Hinsicht optimal zu vertreten. Soweit die Erbengemeinschaft gegenüber unbeteiligten Dritten (z.B. Lebensversicherung, Banken) vertreten werden soll, dürften die Interessen der Erbengemeinschaft gleichgerichtet und ein Interessenkonflikt innerhalb der Erbengemeinschaft auszuschließen sein.

 

Geht es aber darum, dass ein Miterbe die Erbberechtigung eines anderen Miterben bestreitet oder hat der Erblasser in einem Testament Teilungsanordnungen getroffen, besteht immer das Risiko, dass sich die Miterben uneins sind und von einem Gleichlauf der Interessen keine Rede mehr sein kann. Würde der Anwalt die Erbfolge oder die Anordnung der Teilungsanordnung bewerten wollen, läuft er Gefahr, dass er entgegen der Interessen eines Miterben tätig wird und sich nicht mehr in der Lage sieht, die Interessen der Erbengemeinschaft insgesamt wahrzunehmen.

 

Wegen des Risikos eines Interessenkonflikts muss der Anwalt das Mandat insgesamt niederlegen. Er darf sich auch nicht einen Miterben heraussuchen, den er dann weiter vertreten möchte und dessen Interessen er aktiv gegenüber den anderen Miterben wahrnehmen müsste. Insoweit bestimmt § 43a BRAO, dass der Anwalt nicht tätig werden darf, wenn er einen anderen Mandanten (Erbengemeinschaft) in derselben Rechtssache bereits im widerstreitenden Interesse beraten oder vertreten hat. Dieses Tätigkeitsverbot gilt auch für Rechtsanwälte, die ihren Beruf gemeinschaftlich mit anderen Rechtsanwälten in einer Sozietät ausüben und besteht fort, wenn die gemeinschaftliche Berufsausübung in der Sozietät beendet wird.

 

Eine Ausnahme kommt möglicherweise in Betracht, wenn die betroffenen Mandanten der Tätigkeit des Rechtsanwalts nach umfassender Information in Textform zugestimmt haben (§ 43a Abs. IV BRAO).

EXPERTENTIPP

Auf das Interesse des Mandanten kommt es an

Wer Mitglied einer Erbengemeinschaft ist, für den kommt es darauf an, zu welchem Zweck er oder sie einen Rechtsanwalt beauftragen möchte. Geht es darum, die Interessen der Erbengemeinschaft insgesamt gegenüber Dritten wahrzunehmen, wird der Anwalt wahrscheinlich keinen Interessenkonflikt erkennen. Geht es aber darum, dass der Mandant sein Recht gegenüber anderen Miterben beurteilt wissen möchten, kann der Anwalt nur das Mandat des Miterben übernehmen und die Interessen der übrigen Miterben allenfalls insoweit einbeziehen, als es um die Bewertung der Rechte seines Mandanten geht. Keinesfalls darf er die Interessen der übrigen Miterben vertreten.

Interessenkonflikt nach einer Mediation

In Nachlassangelegenheiten sind Anwälte auch als Mediatoren tätig. Ihre Aufgabe besteht darin, Unstimmigkeiten innerhalb der Erbengemeinschaft zur Sprache zu bringen und die Miterben zu motivieren, einer einvernehmlichen Abwicklung des Nachlasses zuzustimmen. Unabhängig davon, ob die Verständigung gelingt oder nicht, ist jede spätere Tätigkeit des Rechtsanwalts in derselben Rechtssache, die Gegenstand der Mediation war, ausgeschlossen (§ 43 Abs. IV BRAO).

 

Stellt der Anwalt bei der Mediation fest, dass eine Verständigung nicht möglich ist und die Parteien unterschiedliche und gegenläufige Interessen haben, handelt er pflichtwidrig, wenn er seine Tätigkeit für einen der Miterben weiterführt, indem er sie trotz des Interessenkonflikts weiter berät und vertritt. Daran ändert auch nichts, dass seine weitere Tätigkeit, die vielleicht zum Abschluss einer Auseinandersetzungsvereinbarung geführt hat, dem Willen der Miterben entsprochen hat und der Rechtsanwalt den von ihm weiter beratenen Miterben über die möglichen Risiken einer einvernehmlichen Regelung aufgeklärt hat. Es riskiert, sein gesamtes Honorar zu verlieren und nicht zuletzt ein Standesverfahren vor der Anwaltskammer und die Strafbarkeit wegen Parteiverrats.

Interessenkonflikt, wenn der Anwalt wegen derselben Rechtssache vorbefasst ist

Anwälte sind oft auch zugleich als Notare tätig. Um Interessenkonflikte zu vermeiden, ist es dem Anwaltsnotar gesetzlich verboten, in einer Angelegenheit anwaltlich tätig zu werden, in der er bereits als Notar tätig war. Hat der Notar beispielsweise eine letztwillige Verfügung (Testament, Erbvertrag) beurkundet, kann er beispielsweise den Ehepartner des Erblassers nicht mehr anwaltlich vertreten, wenn der Ehepartner den Inhalt des Testaments beanstandet. Der Notar müsste als Rechtsanwalt seinen eigenen Text prüfen und gegebenenfalls beanstanden. Es müsste insoweit angenommen werden, dass die anwaltliche Information, Beratung und Vertretung des Ehepartners von Eigeninteressen des Notars bestimmt werden könnte. Daran ändert sich auch nichts, wenn der Anwaltsnotar in einer Sozietät gemeinsam mit anderen Rechtsanwälten und Notaren tätig ist. Auch den Mitgliedern dieser Sozietät bleibt es verboten, anwaltlich in derselben Sache tätig zu sein.

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