Gemeinsamer Rechtsanwalt bei Trennung und Scheidung?

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Freitag, 22.09.2023 , geschrieben von EliteXPERTS-Redaktion

Wünschen Eheleute die Scheidung im gegenseitigen Einvernehmen, entsteht das Bedürfnis, von einem gemeinsamen Rechtsanwalt beraten zu werden. Schließlich möchten sie Streit vermeiden, da leicht Konflikte erzeugt oder Befindlichkeiten aufgeputscht werden, wenn jeder Ehepartner eigenständig anwaltlich beraten und vertreten wird. Sie glauben, dieser Entwicklung vorzubeugen, wenn sie gemeinsam zu einem Rechtsanwalt gehen.

Woher kommt der Wunsch nach einem gemeinsamen Anwalt?

Dem Wunsch liegt die Vorstellung zugrunde, der Anwalt könne auf alle familienrechtlichen Fragen eine klare Antwort geben, die sich am besten aus dem Gesetz ergibt oder für die der gemeinsame Anwalt eine schnelle Lösung weiß. Eine solche Vorstellung widerspricht jedoch dem Berufsbild der Anwälte. Ein Anwalt, der nach Abwägung Ihres Sachvortrags den einzig richtigen Rechtsrat geben würde, wäre nicht Anwalt, sondern Schiedsrichter. Anwälte sind aber als Organ der Rechtspflege Parteivertreter und haben den Mandanten so zu beraten, dass er das für sich wirtschaftlich günstigste Ergebnis erzielen kann. Ob der Mandant dieses Ergebnis tatsächlich erzielen möchte, entscheidet nicht der Anwalt, sondern der Mandant allein. Ob ein gemeinsamer Rechtsanwalt bei Trennung und Scheidung insoweit die richtige Option ist, beurteilt sich daher nach einem ganz anderen Aspekt.

Wann ist die Beratung durch einen gemeinsamen Rechtsanwalt erlaubt?

Die anwaltliche Beratung durch einen gemeinsamen Rechtsanwalt kann im Ausnahmefall zulässig sein. Typischer Fall ist, dass die Ehepartner das Trennungsjahr vollzogen haben und beide geschieden werden möchten. Ihre aus Anlass der Trennung und Scheidung bestehenden Rechte und Pflichten haben sie in einer Scheidungsfolgenvereinbarung einvernehmlich geregelt und diese Vereinbarung idealerweise notariell beurkundet oder möchten die Vereinbarung im mündlichen Scheidungstermin gerichtlich und damit gleichfalls rechtsverbindlich protokollieren lassen.

 

Sind die Dinge tatsächlich so klar, wie sie sind, ist ein Interessengegensatz offensichtlich auszuschließen. Die Scheidungswilligen haben keinen Grund, sich zu streiten wegen

  • ihres Vermögens,
  • eventueller Unterhaltsansprüche
  • oder der Kinder.

Meist verfügen sie über ähnlich hohe Einkommen und ähnlich hohe Vermögenswerte.

 

In diesem Fall geht es eigentlich nur noch darum, dass einer der Ehepartner den Anwalt beauftragt, den Scheidungsantrag beim Familiengericht einzureichen. Wegen des Anwaltszwangs ist das Noch-Paar darauf angewiesen, dass zumindest ein Ehepartner anwaltlich vertreten ist. Bei der einvernehmlichen Scheidung genügt es, wenn der Ehepartner dem Scheidungsantrag des anderen zustimmt. Dafür wird kein zweiter Anwalt benötigt. Aber auch dann ist wichtig zu wissen, dass der mit der Scheidung beauftragte Anwalt nur denjenigen Ehepartner vertritt, der ihn anwaltlich beauftragt hat. Die Interessenvertretung des anderen Ehepartners bleibt ausgeschlossen.

Wann muss der gemeinsame Rechtsanwalt die Beratung ablehnen?

Geht ein Ehepartner mit dem anderen zu einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin, vertrauen beide darauf, bestmöglich beraten zu werden. Dabei übersehen sie möglicherweise, dass die „beste“ Beratung voraussetzt, dass keinerlei Interessengegensätze bestehen, weil das Beste für einen Ehepartner nicht unbedingt das Beste für den anderen bedeuten muss. Insoweit ist erfahrungsgemäß davon auszugehen, dass beide spätestens dann, wenn sie mit dem Anwalt über ihre Scheidung sprechen und der Anwalt Sie über Ihre Rechte und Pflichten informiert, ein Interessengegensatz offenbar wird, an den beide bis zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht gedacht haben.

 

Ehepartner, die ihre eheliche Lebensgemeinschaft auflösen und abwickeln möchten, sind formal Gegner. Insoweit bezeichnet das Familienverfahrensrecht die Parteien auch als Antragsteller und als Antragsgegner. Selbst wenn sich beide zunächst einig scheinen, ist rein formal immer von einer potenziell möglichen Interessenkollision auszugehen. Oft sind sich die Parteien dieses Umstandes nicht bewusst. Probleme eröffnen sich erst später, oft ist es dann zu spät, um eine angemessene Regelung zu verhandeln. Probleme dieser Art führen dann im Nachhinein zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung, die sich hätte möglicherweise vermeiden lassen, wenn die Parteien von vornherein anwaltlich richtig beraten gewesen wären.

 

Interessengegensätze ergeben sich oft daraus, dass das Familien- und Scheidungsrecht von unbestimmten Rechtsbegriffen geprägt ist. Viele davon bedürfen der Interpretation durch die Gerichte. Grund ist, dass jede Partei einen unbestimmten Rechtsbegriff im eigenen Sinne interpretiert. Möchten ein Partner den Unterhalt beispielsweise wegen der kurzen Ehedauer ausschließen, ist die Frage zu beantworten, was unter kurzer Ehedauer zu verstehen ist. Oder allein die häufige Verwendung des Begriffs der „Billigkeit“ im Unterhaltsrecht verdeutlicht, wie schwierig es aus Sicht des Gesetzgebers ist, die Gratwanderung zwischen den naturgemäß widerstreitenden Interessen von Ehepartnern zu vollziehen.

 

Sollten sich also im Informationsgespräch beim gemeinsamen Anwalt Anhaltspunkte ergeben, dass ein Ehepartner im Hinblick auf die Trennung oder Scheidung besondere Wünsche oder Vorstellungen hat, muss der Rechtsanwalt das Mandat umgehend niederlegen. Tut er dies nicht, verstößt er gegen die Standespflichten, riskiert wegen Parteiverrats strafrechtlich belangt zu werden und die anwaltliche Zulassung zu verlieren. Der Bundesgerichtshof hat in einer grundlegenden Entscheidung zudem klargestellt, dass der Anwalt, der trotz einer offensichtlichen Interessenkollision zwei Ehepartner gemeinsam berät, seine gesamte Vergütung verliert, weil der Anwaltsvertrag nichtig ist und damit der Vergütungsanspruch entfällt (BGH FamRZ 2014, 35).

 

Ein Anwalt, der im Hinblick auf eine sich offenbarende Interessenkollision die gemeinsame Beratung beider Ehepartner ablehnt, ist also kein schlechter Anwalt oder ein Anwalt, der sich nicht kompetent fühlt. Ein solcher Anwalt handelt vielmehr aus seiner standesrechtlichen, strafrechtlichen und zivilrechtlichen Verantwortung heraus und damit nicht zuletzt im Interesse seiner Mandanten.

Was ist, wenn der Anwalt als Mediator vermittelt?

Wird ein Anwalt im Vorfeld der Scheidung als Mediator tätig und versucht, die Ehepartner dazu zu motivieren, sich nicht zu streiten und die Scheidung einvernehmlich abzuwickeln, muss er darauf achten, dass die Mediation nur eine Gesprächsleitung beinhaltet. Der Anwalt darf sich als Mediator nicht dazu hinreißen lassen, einem der Ehepartner rechtlichen Rat zu erteilen. Sobald er gegenüber einem der Ehepartner individuellen rechtlichen Rat erteilt, geht er von einem Interessengegensatz aus, für den die Mediation nicht das richtige Werkzeug darstellt.

 

Ein Anwalt, der zwischen den Parteien vermittelt hat, darf zudem keine der Parteien im späteren Scheidungsverfahren anwaltlich vertreten. Daran ändert auch nichts der Umstand, dass seine weitere Tätigkeit, die zum Abschluss einer Scheidungsfolgenvereinbarung geführt hat, dem Willen beider Parteien entsprochen hat (OLG Karlsruhe Urteil v. 26.4.2001, Az. 2 U 1/00).

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