Ist das zweite Staatsexamen vollbracht, stehen dem Volljuristen die Tür zu allen juristischen Berufen offen. Träumt der Jungjurist vom Anwaltsberuf, stellt die Kanzleigründung eine echte Herausforderung dar. Mit der richtigen Vorbereitung und einer konstruktiven Strategie lässt sich diese durchaus meistern.
Die Gründung verspricht Erfolg, wenn möglichst bereits im Studium und in der Referendarzeit anwaltliche Fertigkeiten erworben wurden und die spätere Gründung einer Kanzlei einen strategischen Plan verfolgt. Da man hinterher bekanntlich immer schlauer ist, sollten die Empfehlungen älterer Kollegen, die mit der Kanzleigründung ihre Erfahrungen gemacht haben, eine konstruktive Hilfestellung darstellen, um mit der eigenen Kanzlei durchzustarten. Dabei geht es weniger um die Hardware (Büromaterial, Mitarbeiter), als um die Softskills, die den Anwalt befähigen, den Traum von der eigenen Kanzlei Wirklichkeit werden zu lassen.
1 Einfach ein Kanzleischild an die Tür hängen, ist keine gute Idee
Die Gründung einer Anwaltskanzlei sollte möglichst nicht aus der Not heraus erfolgen, nur weil der junge Jurist andere berufliche Engagements scheut oder keinen Zugang findet. Dafür genügt es nicht, ein Kanzleischild an der Haustür anzubringen und darauf zu hoffen, potentielle Mandanten stürmen sofort die Räumlichkeiten. Es hilft auch nichts und wäre standeswidrig, jede dritte Beratung gratis anzubieten oder anwaltliche Erfolge zu garantieren. Eine richtige Kanzleigründung erfordert andere Qualitäten.
2 Staatsexamen garantiert keinen Meister
Die juristische Ausbildung war und ist zum Teil noch immer auf die Tätigkeit im Staatsdienst ausgerichtet. Juristen lernen Urteile zu formulieren und Prozesse zu führen. Die Ausbildung in anwaltlichen Tätigkeiten führt nach wie vor verhältnismäßig ein Schattendasein. Wer also erfolgreich als Anwalt starten möchte, ist auf ein gewisses Eigenengagement angewiesen und sollte möglichst bereits im Studium oder im Referendariat anstreben, anwaltliches Know-how zu erwerben. Trotzdem: Wer das zweite Staatsexamen bestanden hat, ist genau genommen eine Art Geselle. Wer Meister werden will, wird erst in der anwaltlichen Praxis diejenigen Erfahrungen sammeln, die einen erfolgreichen Anwalt ausmachen.
3 Bei einem Anwalt in die Lehre gehen
Wird aus dem Nichts heraus eine Kanzlei gegründet, ist das Risiko hoch, dass der junge Jurist aus vielfältigen Gründen scheitert. Im Grunde muss er oder sie viele derjenigen Erfahrungen selbst machen, die Kollegen bereits gemacht haben. Dieses Risiko lässt sich zumindest reduzieren, wenn der junge Jurist in einer bestehenden Kanzlei als angestellter oder als freiberuflicher Anwalt startet und unter der Obhut eines erfahrenen Kollegen erste praktische anwaltliche Erfahrungen sammelt.
Vor allem lernt er oder sie, wie eine Anwaltspraxis organisiert wird und wie mit den täglichen Abläufen in einer Praxis umzugehen ist. Vorteilhaft ist, dass der ältere Kollege …
- die Schriftsätze des jungen Anwalts nach Möglichkeit lektoriert,
- auf typische Anfängerfehler hinweist und
- aus seiner eigenen Erfahrung organisatorische und strategische Hinweise gibt, wie Schriftsätze konstruktiv formuliert werden,
- wie mit Mandanten umzugehen ist,
- wie mit der Gegenpartei zu verhandeln ist und
- welche Eigenheiten Anwälte bei Gericht beachten sollten.
Mit diesen Erfahrungen wird der junge Anwalt irgendwann selbst zum Meister. Besteht die Möglichkeit, kann er der Kanzlei als Gesellschafter beitreten oder gründet eine eigene Kanzlei.
Eine Option kann auch die Übernahme einer bestehenden Kanzlei darstellen, nach Möglichkeit allerdings unter der Voraussetzung, dass der Inhaber der Kanzlei bereit ist, den jungen Anwalt in die Kanzleiabläufe einzuarbeiten und noch für einen gewissen Zeitraum als Ratgeber und Mentor zur Verfügung zu stehen. Nicht zuletzt ist entscheidend, ob der Kaufpreis für die Übernahme sofort oder in einer Summe entrichtet werden soll oder ob der Inhaber sich den Kaufpreis in einer Art Rente auszahlen lässt.
4 Der Allround-Anwalt ist out
Früher war es so, dass Anwälte so gut wie alle Rechtsgebiete abdeckten, die von Mandanten nachgefragt wurden. Dies ist heute kaum mehr möglich. Die Rechtsgebiete sind so umfangreich, vielfältig und komplex, dass sich Anwälte zwangsläufig auf bestimmte Rechtsgebiete beschränken müssen. Wer alles als Allround-Anwalt anbietet, riskiert, gegenüber spezialisierten Kollegen ins Hintertreffen zu geraten, den Mandanten zu enttäuschen und das eigene Haftungsrisiko in die Höhe zu schrauben.
Die Konsequenz daraus kann nur lauten, sich Rechtsgebiete auszusuchen, von denen man glaubt, mit der Rechtsmaterie arbeiten zu können. Optimal wäre, wenn sich der junge Jurist bereits in jungen Jahren mit dem einen oder anderen Rechtsgebiet bereits beschäftigt hatte. Die Wahl eines Wahlfaches im Studium wie beispielsweise Kriminologie oder Rechtsphilosophie wäre wenig hilfreich, wenn der junge Anwalt im Verkehrsrecht oder Familienrecht tätig werden möchte.
Hat sich der Jurist für ein Rechtsgebiet entschieden, ist Fortbildung Pflicht. Hierfür gibt es vielfältige Angebote. Wer beispielsweise im Familienrecht tätig werden möchte, muss sich in das Eherecht, Scheidungsrecht und Unterhaltsrecht einarbeiten. Wichtig ist, für ein bestimmtes Rechtsgebiet die notwendige Affinität zu besitzen. Im Familienrecht bedeutet dies, familiäre Zusammenhänge nachzuvollziehen, bereit zu sein, sich auf die Niederungen familiärer Auseinandersetzungen einzulassen, Mandanten mit viel Empathie zu beraten und vor Gericht die Interessen des Mandanten so zu vertreten, dass ein angemessenes Ergebnis erreicht werden kann.
5 Netzwerke schaffen
Eine Anwaltskanzlei braucht Mandanten. Mandanten fallen nicht vom Himmel. Um Mandanten zu akquirieren, muss der Anwalt möglichst frühzeitig damit beginnen, Kontakte zu schaffen, aus denen sich eventuell Mandate ergeben könnten. Es gilt, sich ein Netzwerk zu schaffen. In Betracht kommt die Mitgliedschaft in einem Verein, die Bereitschaft, Freizeit auch dort zu verbringen, wo andere Menschen ihre Freizeit verbringen, sich ehrenamtlich zu engagieren und letztlich dort Werbung zu machen, wo potentielle Mandanten unterwegs sind. Mit zunehmender Tätigkeit im Beruf entstehen ein Netzwerk und ein Bekanntheitsgrad, aus dem sich immer wieder neue Mandate schöpfen lassen.
6 Der Kanzleistandort ist wichtig, aber nicht unbedingt entscheidend
Startet der junge Anwalt in den Beruf, kann es aus finanziellen Gründen geboten sein, die Kanzleigründung zunächst in den eigenen Räumlichkeiten zu vollziehen. Ideal wäre, unabhängig von der Wohnung eigene Kanzleiräume zu nutzen. Die Räumlichkeiten müssen nicht unbedingt in der Stadt liegen, auch wenn dort das Potenzial an Mandanten vielleicht größer ist.
Genauso gut kann die Kanzleigründung in kleineren Orten oder „auf dem Land“ erfolgen, vor allem dann, wenn der junge Jurist dort als Person bekannt ist, dort über einen großen Bekanntenkreis verfügt oder bestenfalls ein Unternehmen zum Mandantenkreis zählen darf.
Nicht zuletzt sind die Mieten auf dem Land geringer als in der Stadt. Auch die Parkplatzprobleme sind nicht zu unterschätzen. Sind Mandanten darauf angewiesen, zum Besuch der Kanzlei mühsam einen Parkplatz suchen zu müssen, ist die Stimmung bereits angespannt, wenn der Mandant in die Kanzlei kommt.
Letztlich ist es nicht unbedingt wichtig, wo die Kanzlei ansässig ist. Entscheidend ist das Rechtsgebiet, das der Anwalt vorwiegend bearbeitet und die ausgewiesene Kompetenz des Anwalts in diesem Rechtsgebiet. Anwälte in kleineren Orten machen damit den optischen Vorteil, den Kanzleien in Städten vielleicht haben, durchaus wieder wett. Nicht zuletzt ist es eine Frage der Lebensqualität, wo der Anwalt den Tag verbringt.
7 Businessplan erstellen
Nach dem Examen sofort starten, ist keine Strategie. Neugründern fällt es naturgemäß schwer, voraussichtliche Umsätze und Ausgaben zuverlässig einzuschätzen. Die Gewinnspanne ist anfangs tendenziell niedrig. Ein gewisses finanzielles Polster erscheint unabdingbar.
Wie in jedem Wirtschaftszweig auch, ist ein Businessplan Voraussetzung dafür, dass klar ist, unter welchen Voraussetzungen die Kanzleigründung erfolgt mit welcher strategischen Ausrichtung der Anwalt tätig wird. Ein Businessplan hilft Ziele zu definieren, die Zielgruppe zu identifizieren und die finanziellen Aspekte zu planen.
Wichtig ist, die Kosten zu kalkulieren. Werden die Kanzleiräume gemietet, fällt Miete an, wird Personal benötigt, fallen Personalkosten an. Die Infrastruktur für den Betrieb der Kanzlei muss angeschafft werden. Der Anwalt ist verpflichtet, eine Haftpflichtversicherung zu unterhalten, Beiträge zum Versorgungswerk der Anwälte zu entrichten und muss von Anfang an in der Lage sein, die dafür notwendige Liquidität aus seinen Honorareinnahmen oder seinem eventuell vorhandenen Vermögen abzuzweigen. Eine solide Finanzplanung ist unerlässlich.
8 Am eigenen Bekanntheitsgrad arbeiten
Will der Anwalt potentielle Mandanten auf sich aufmerksam machen, bedarf es heutzutage einer Website, auf der der Anwalt seine Person und seine Kompetenzen präsentiert. Eine Option kann auch darin bestehen, auf Anwaltsportalen in Erscheinung zu treten, dort Rechtstipps zu veröffentlichen und damit die Mandanten darüber zu informieren, welche Rechtsgebiete bearbeitet werden und welche Kompetenzen bestehen. Auch Vorträge, beispielsweise bei der Volkshochschule oder bei Vereinen, helfen, sich bekannt zu machen. Im Idealfall erreicht der Anwalt, dass die Kanzlei als Marke wahrgenommen wird, deren Merkmale sich auf dem Briefbogen, der Website, in einem Logo oder einem Kanzleislogan äußern.
Alles in allem
Wer sich über die Gründung der eigenen Anwaltskanzlei Gedanken macht, wird wahrscheinlich vielfältige Ratschläge zu hören bekommen. Letztlich beruhen all diese Ratschläge auf den Erfahrungen älterer Kollegen. Entscheidend ist letztlich, dass die Kanzleigründung auf einer einigermaßen soliden organisatorischen und finanziellen Basis erfolgt und der Anwalt das notwendige Engagement besitzt, die mit einer Gründung so gut wie immer einhergehenden Tiefen zu bewältigen.